Die seltsamsten Blüten des Anlagenotstands

Es herrscht Anlagenotstand in Deutschland und das ist nicht einmal schwer zu erkennen: In Finanzblogs und zugehörigen Kommentarspalten werden Dividendenaktien und Aktienfonds mittlerweile als der alternativlose Weg zu finanzieller Freiheit gepriesen. P2P-Kredite scheinen Anlegern eine festverzinsliche Alternative zu Tagesgeldern und Festgeldern zu bieten. Plattformen für private Investoren in Start Ups ermöglichen dem potenziellen Geldanleger die Teilhabe an den möglichen Wachstumsbranchen der Zukunft.

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Und wie wir alle dank der blumigen Werbungen für diverse CFD-Trader wissen: Mit dem Download einer Handelssoftware und dem Erhalt eines Einzahlungsbonus’ haben wir die Lizenz zum Gelddrucken endlich in unseren eigenen Händen.

Da Ihnen meine Ironie vermutlich nicht ganz entgangen ist, wissen Sie wahrscheinlich in etwa, worauf ich hinaus will: Das Geschäft mit dem Geld anderer Leute boomt mal wieder. – Das ist eben die typische Schattenseite des billigen Geldes.

Und wenn Sie mich kennen, wissen Sie, dass ich prinzipiell ein Freund einer lockeren Geldpolitik bin und damit auch von jeher im krassen Gegensatz zur Meinung unserer verehrten Bundesbank stehe.

Aber, und so ehrlich muss ich dann eben auch sein, die Gier der Menschen führt sie in Zeiten billigen Geldes vermehrt in die Arme derer, die ihnen mehr Zinsen bzw. mehr Rendite auf ihr Kapital versprechen als eigentlich logisch und angemessen wäre.

Na, wenn das mal gut geht…

Die Vorteile sind unübersehbar

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch! Ich möchte diese neuen Anlagealternativen keineswegs pauschal als schlecht oder böse bezeichnen. Ganz im Gegenteil: Ich halte die neuen Möglichkeiten für Zahlungsströme, die sich aus der sinnvollen Verknüpfung von neuen Kommunikationstechnologien und – vormals den Banken vorbehaltenen – Transformationsangeboten, für absolut großartig! Und das ist nicht im Mindesten ironisch gemeint! Ehrenwort! Alles, was mehr Möglichkeiten bietet, ist erst einmal toll, finde ich.

Und die Vorteile sind auf den ersten Blick schon zahlreiche:

Dank der neuen Transparenz ist es dem Geldanleger heutzutage spielend leicht möglich, die unterschiedlichen Angebote für eine Geldanlage im Internet hinsichtlich ihrer Konditionen zu vergleichen.

Aber auch die Verbindung von verzinster Geldanlage mit sozialem Nutzen ist dank der P2P-Kedite und Crowdfunding für Start Ups in unserer Zeit zu einer fast selbstverständlichen Möglichkeit geworden.

Die genannten privaten Investitionsmöglichkeiten in kleinste Unternehmen (Start Ups) sind überhaupt in der Vergangenheit ein Markt gewesen, zu dem man nur als Private Euqity- oder Venture Capital-Investor Zugang hatte. Für viele Normalsterbliche also ein unerreichbarer Markt. Dank der neuen Möglichkeiten ist dieser Markt für jedermann zugänglich geworden. Schranken wurden damit weiter abgebaut.

Und die Anbieter von CFDs ermöglichen die Teilnahme am (sagenumwobenen und mit Träumen verbundenen) Derivate-Markt, mit wenig Einsatz und niedrigen Hürden (Aufklärung, Administration etc.).

Realistische Einordnung dringend notwendig!

Was mir aber deutlich bei der Darstellung und öffentlichen Wahrnehmung dieser neuen Möglichkeiten der Geldanlage fehlt, ist die realistische Einordnung in die Formen bewährter Risiko-Chance-Profile.

Allen diesen neuen Möglichkeiten ist nämlich gemein, dass sie in der Werbung als chancenreich dargestellt und – wenn überhaupt – nur mit einem kleinen Hinweis auf die Möglichkeit des Verlustes oder Totalverlustes versehen werden.

Das ist aber selbstverständlich nicht ausreichend!

Denn zumindest theoretisch ist bei jeder Anlageform der Totalverlust möglich. Allein diese Möglichkeit unterscheidet eine Anlageform noch lange nicht von irgendeiner anderen.

Nicht umsonst kategorisieren Anlageberater und Private Banker schon seit Jahrzehnten unterschiedliche Anlageformen in unterschiedlichen Risikokategorien.

Eine solche Einordnung der neuen Anlageformen in bestehende Risikokategorien erfolgt jedoch bisher (auch in der öffentlichen Wahrnehmung) noch gar nicht.

Um Ihnen einmal zu zeigen, von welchen Gefahren ich hier teilweise spreche, einmal eine kleine Einordnung meinerseits:

  • So können Sie P2P-Kredite im besten Fall mit einer Schuldverschreibung (Rentenpapier) vergleichen werden; im schlimmsten Fall mit einem geschlossenen Fonds mit schwer definierbarem Inhalt und nur einem einzigen Schuldner und Anlageobjekt.
  • Crowdfunding für Start Ups hingegen können Sie noch im besten Fall mit einem geschlossenen Private Equity-Fonds vergleichen. Im schlimmsten Fall jedoch handelt es sich um eine Unternehmensbeteiligung, die sich noch weit, weit unterhalb des Risikoprofils einer Anlage in Pennystocks wiederfindet.
  • CFDs sind im Grunde nichts Anderes als Knock-Out-Zetifikate, über die keine (seriöse) Bank Sie jemals beraten würde. Im Gunde sind CFDs sogar noch riskanter, da bei diesen ggf. sogar eine Nachschusspflicht möglich ist. Ein Umstand, der bei KO-Zertifikaten oder Optionsscheinen nicht möglich ist.

Sie sehen also, wenn wir die neuen Möglichkeiten der Geldanlage in unser bestehendes und bewährtes Risiko-Chance-Raster einfügen, erhalten wir das Ergebnis, dass alle diese Anlagemöglichkeiten deutlich riskanter sind als von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Alle drei sind sehr riskante Anlagen!

Keinerlei Regulierung

Und das eigentlich Interessante ist doch, dass wir uns gerade in Jahr 8 nach der Finanzkrise befinden. Einer Krise, die von Banken, also den Anbietern von Produkten der Geldanlage verursacht wurde.

Und einer Krise, in deren Folge immer wieder eine stärkere Regulierung des Bankenmarktes diskutiert und umgesetzt wurde.

Da stellt sich mir die Frage: Wieso werden diese neuen und alternativen Anlagemöglichkeiten eigentlich nicht von dieser Regulierungsdebatte erfasst?

Man vergleiche nur einmal die Werbung der CFD-Anbieter mit der Werbung für Investmentfonds von Banken oder Fondsgesellschaften: Während Letztere mit unzähligen Sternchen und kleingedruckten Einschränkungen versehen sind, geben sich die Erstgenannten als scheinbare Geldverschenker.

Wenn man sich dann überlegt, welchem öffentlichen Druck Banken – sicherlich nicht zu Unrecht – in den letzten Jahren hinsichtlich der von ihnen empfohlenen Anlagen ausgesetzt waren, muss man leider feststellen, dass die öffentliche Meinung nicht uneingeschränkt vertrauenswürdig ist.

Denn auch die infolge der öffentlichen Meinung erfolgte (Über-?)Regulierung der Banken hat eben diese in die Situation gebracht, in der sie sich heute befinden: Nahe am Abgrund! Die dadurch von den Banken verlorenen Marktanteile werden jetzt aber dankbar von den genannten neuen Mitspielern aufgenommen, deren Anlagen (siehe oben) teilweise weitaus riskanter sind als althergebrachte klassische Bank- und Versicherungsprodukte. Und eine verbindliche Aufklärung des Anlegers, wie sie bei Banken bereits jahrzehntelang üblich ist, suchen Sie in diesem Bereich vergebens. Eine Online-Anmeldung und die Überweisung des Anlagebetrages reichen in aller Regel aus, um Teil dieser neuen Geldvermehrungsvernichtungsmaschinerie zu werden. Zumindest vorübergehend – eben bis das Geld wieder weg ist.

Daher meine ich: Wenn schon Regulierung, dann aber auch bitte für alle und anhand verbindlicher Risiko-Chance-Muster!

Fazit

Die Kombination aus billigem Geld aus der Notenpresse und den neuen technischen und Kommunikationsmöglichkeiten hat ein ganz neues und schwer überschaubares Angebot an Geldanlagen geschaffen. Dank dieser neuen Möglichkeiten kann der Investor deutlich leichter Kosten und Konditionen der einzelnen Anlagemöglichkeiten vergleichen, Geldanlage mit einem sozialen Nutzen verbinden und in Anlagemärkte vorstoßen, die früher nur den großen Mitspielern vorbehalten waren.

Doch sind einige der neuen Anlageformen mit hohen bis sehr hohen Risiken behaftet und bisher noch nicht reguliert und Verpflichtungen des Anlegerschutzes unterworfen worden. Es steht zu befürchten, dass die öffentliche Wahrnehmung erst dann diese neuen Anlageformen fokussieren wird, wenn wieder viele Menschen viel Geld verloren haben werden.

Hi, ich bin Oliver, der Gründer von Jodano - Wissen & Meinung zu Finanzen. Bevor ich mich als Blogger selbstständig gemacht habe, habe ich fast 20 Jahre in der Bankenbranche mein Unwesen getrieben. Die Erfahrungen, die ich dort in Anlageberatung, Private Banking und Corporate Finance gesammelt habe, lasse ich heute in meinen Blog einfließen.

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