Was Musikindustrie und Bankenbranche gemeinsam haben

Ich bin im Jahre 1982 geboren und damit per gängigster Definition ein Digital Native. Also jemand, der die Digitalisierung, die im Moment nicht nur im Mittelstand in aller Munde ist, von Geburt an miterlebt hat.

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Dabei konnte ich durch die fortschreitende Digitalisierung und Verbreitung der Internets vor allem auch eine Veränderung des Abnehmerverhaltens erkennen.

Welche Veränderungen ich wahrgenommen habe und wie Anbieter von Leistungen und Produkten darauf reagieren können, stelle ich Ihnen in diesem Artikel dar.

Digitalisierung vs. Vernetzung

Wenn heute auf Symposien und anderen Informationsveranstaltungen der Wirtschaft oder Wissenschaften von Digitalisierung und Veränderung gesprochen wird, empfinde ich die Diskussion oft nicht als trennscharf genug.

Denn oftmals wird Digitalisierung mit technischer Vernetzung gleichgesetzt. Das ist so natürlich nicht richtig, weil nicht trennscharf und nicht abschließend.

Auch wenn es hier Überschneidungen gibt, sollte man doch genau unterscheiden:

Digitalisierung meint – vereinfachend ausgedrückt – die Überführung analoger Größen in digitale Formen. Sie beschreibt also einen Prozess des Wandels, hin zu mehr Computerinfrastruktur, die besser und schneller, also leistungsfähiger ist.

Die (technische) Vernetzung hingegen ist kein Teil der Digitalisierung, sondern eine Begleiterscheinung oder im besten Fall ein Ausfluss aus der zunehmenden Digitalisierung. Die Vernetzung ist meiner Meinung nach ein natürliches Bedürfnis des Menschen, dem mit der verbesserten Computerinfrastruktur genüge getan werden kann.

bis 1998: Informationsvorsprünge werden teuer verkauft

Große Unternehmen und insbesondere die großen Konzerne zogen ihre Marktmacht gegenüber den Abnehmern aus ihrem Informationsvorsprung. Die Anbieter waren schlicht und einfach die Kenner ihrer Branche, ihrer Informationen und diktierten somit das Preisgefüge.

Nehmen wir hierfür nur einmal die Musikbranche: Bis zur massenhaften Verbreitung des Internets, musste ein Musikkenner

  1. sich auf das Verlassen, was die großen Plattenfirmen an neuen und alten Musikern vermarkteten und anboten und
  2. hohe Preise für eine einzelne Single oder ein einzelnes Album kaufen.

Die Musikindustrie hatte also eine absolute Preissetzungsmacht aufgrund eines gewaltigen Informationsvorsprungs gegenüber den Abnehmern.

Denn wie sollte ein Musikfan ohne das Internet an unbekannte Künstler und Musik herankommen? Nur durch sehr, sehr viel Zeit- und Geldaufwand.

Eine andere Branche, die traditionell ihren Informationsvorsprung margenstark vermarktete, ist die Bankenbranche:

Über Jahrhunderte gehörte es zum Geschäftsmodell der großen Privatbanken, Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen und Anlegern die Aktien und Anleihen schmackhaft zu machen.

Der Kunde musste sich hierbei auf den Informationsvorsprung der Bank verlassen, da er sich jenseits der Bank höchstens über Fachzeitschriften zum Thema Geldanlage weiterbilden konnte. An das Internet war ja noch nicht zu denken…

Und diesen Informationsvorsprung haben sich die Banken (im besten Fall) teuer bezahlen lassen und (im schlimmsten Fall) den Kunden ausnutzen lassen.

Zeugen dieser Entwicklung finden sich auch im Recht: die Modernisierung des Schuldrechts 2001 oder die Einführung der Privatinsolvenz 1999.

1998: die Wende und Umkehrung der Machtverhältnisse

Für mich markierte das Jahr 1998 den fühlbaren Wendepunkt. Zumindest in Deutschland. Denn ab 1998 habe ich das Gefühl gehabt, dass das Internet in der Gegenwart ankam.

Schnellere Internetverbindungen wie ISDN oder DSL wurden dank zunehmender Verbreitung der Glasfasernetze gängig und der MS-DOS PC hatte alle seine Konkurrenten mittlerweile meilenweit abgehängt.

Dadurch entstand eine Standardkonfiguration in den Wohnzimmern der Deutschen, die der Verbreitung des Internets noch einmal entgegen kam. Diese Standardkonfiguration hielt dann ziemlich genau 10 Jahre – bis zur Einführung des IPhones, die dann noch einmal alles revolutionierte.

Diese Massenverbreitung des Internet kann meiner Meinung nach eigentlich nur als eine gesellschaftliche Reaktion auf den o.g. Misstand infolge assymetrischer Informationsverteilung betrachtet werden.

Und diese Reaktion erfolgte plötzlich und geradezu explosionsartig.

Und mit einem radikalen Verlust der Preissetzungsmacht. Denn viele vorher teuerer vermarktete Güter wurden digitalisierbar und damit kosteneffizienter herstellbar; was Druck auf die Anbieter und ihre hohen Preise ausübte.

Und noch dazu wurden Informationen schnell verfügbar und damit schwer vermarktbar (die Presse und andere Medien können davon ein Lied singen). Informationsvorsprünge hingegen wurden sogar schwindend gering – zeitlich, qualitativ und quantitativ.

Und dieser explosive gesellschaftliche Wandel bewirkte, dass die Macht des Regelndiktierens von den betroffenen Unternehmen, Konzernen und Branchen auf die Konsumenten überging.

Die Folge war (oder besser: wurde):”Geiz ist geil”. Der nun nahezu aufgeholte Informationsmissstand durch die Massenzugänglichkeit des Internets wurde schlagartig zunehmend durch digitale Piraterie (Stichwort: Napster) ausgelebt und ließ die Einnahmen der betroffenen Unternehmen, Konzerne und Branchen nicht nur einbrechen; sondern sogar ins Bodenlose verschwinden.

Die Folge war ein zunehmender Qualitätsverlust.

Oder gibt es jemanden, der etwas Stilbildendes über die Musik der 00er Jahre nennen kann? Dann trete dieser jemand bitte vor! Ich halte die 00er Jahre für ein musikalisch verlorenes Jahrzehnt.

Der jahrzehntelange Missbrauch der Konsumenten durch die Musikindustrie hatte dafür gesorgt, dass Kunden – nachdem sie die Möglichkeit hatten, sich schwarz mit Musik zu versorgen – nicht mehr bereit waren, 25 DMark für ein Album zu zahlen.

Und im Bankwesen verhielt es sich ganz ähnlich: Immer mehr Kunden wendeten sich von der klassischen Filialbank ab und den billigeren Direktbanken zu. Das Angebot an individueller Beratung vor Ort nahm ab und das Angebot an normierten und standardisierten Lösungen für (scheinbar) jedermann nahm weiter zu.

Heute: Leistung lohnt sich wieder

Der mit dieser Entwicklung einhergehende Qualitätsverlust konnte nicht ewig so weiter gehen:

Heute nehme ich wieder ein verändertes Abnehmerverhalten da: Heute wollen Abnehmer ausgeglichene Preis-Leistungs-Verhältnisse.

Sie sind bereit für die Leistungen, die sie in Anspruch nehmen auch einen fairen Preis zu zahlen. Die Musikindustrie hat es mit Spotify vorgemacht: Für einen Beitrag von 10 Euro monatlich bekommt man Zugriff auf all die Musik der großen Labels. Für diesen Preis hätte der Musikfreund früher nicht einmal ein Album monatlich bekommen.

Und der Zugang zum Markt wird jungen Musikern auch noch erleichtert. Man denke nur an Phänomene wie Alan Walker, die dank Spotify schnell und unkompliziert publizieren können.

Spotify zeigt: Wenn der Anbieter das Problem eines Abnehmers lösen kann, ist dieser dankbar und gerne bereit, den Anbieter fair zu entlohnen.

Aber die Zeiten, in denen Anbieter das Angebot und den Preis diktieren können, sind vorbei. Heute kommt es mehr denn je darauf an, den Markt und die Käufer zu kennen, um das eigene Angebot daran auszurichten.

Er heute mit einem Angebot in den Markt geht und darauf wartet, verkaufen zu können, hat schon verloren.

Anbieter müssen stattdessen auf die Sorgen und Probleme Ihres Umfelds hören! Denn dort liegen die guten Angebote der Zukunft; die USP.

Dass qualitative und lösungsorienterte Leistung wieder angemessen entlohnt wird, ist in der heutigen Zeit sogar doppelt fair: Denn digitalisierte Leistung kann in der technisch vernetzten Welt der Gegenwart viel kleinteiliger angeboten werden als vergleichbare analoge Lösungen in der Vergangenheit.

Das heißt, auch Anbieter ziehen den zentralen Vorteil daraus, dass sie nur noch das anbieten müssen, was der Kunde zur Lösung seines Problems wirklich braucht. Das spart Zeit und Kraft und schafft die Möglichkeit, sich auf weitere Kunden und Projekte zu konzentrieren.

D.h. Kunden müssen viel weniger generelle Leistung kaufen, um dafür spezielle Leistung zur Lösung des eigenen Problems zu erhalten.

Leider scheint die Bankenbranche diesen letzten Punkt noch nicht erkannt oder ausreichend gewürdigt zu haben.

Hier muss noch ein Umdenken zu fairen Preisstrukturen stattfinden.

Fazit

Viele Branchen haben in der Vor-Internet-Ära ihre Informationsvorsprünge teuerst verkauft und die Unwissenheit der Konsumenten für wirtschaftliche Profite genutzt.

Dieser gesellschaftliche Missstand entlud sich förmlich in der massenhaften Verbreitung des Internets für den Privatgebrauch und die damit einhergehende digitale Piraterie.

Erst die Glättung der Preisgefüge haben dafür gesorgt, das Konsumenten heute wieder bereit sind, für zielgerichtete und hilfreiche Lösungen einen angemessenen Preis zu bezahlen.

Wie steht es mit Ihrem Preismodell? Ist Ihr Preisgefüge angemessen gewählt, um Abnehmer von Ihren Leistungen zu überzeugen?

Wenn nicht, sollten Sie Ihre Preise und Leistungskomponenten dringend anpassen.

Hi, ich bin Oliver, der Gründer von Jodano - Wissen & Meinung zu Finanzen. Bevor ich mich als Blogger selbstständig gemacht habe, habe ich fast 20 Jahre in der Bankenbranche mein Unwesen getrieben. Die Erfahrungen, die ich dort in Anlageberatung, Private Banking und Corporate Finance gesammelt habe, lasse ich heute in meinen Blog einfließen.

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