Mittelständische Unternehmen unterscheiden sich von großen Unternehmen und Konzernen auf oftmals vielfältige Art und Weise. Und so ist auch die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand nicht zwingend mit der Finanzierung von besonders großen oder besonders kleinen Unternehmen zu vergleichen. Dieser Artikel gibt daher einen Überblick über die konkreten unterschiedlichen Arten der Unternehmensfinanzierung.
Inhaltsverzeichnis
Orientierung an der Gliederung der Bilanz
Natürlich kommt auch ein Überblick über die verschiedenen Arten der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand nicht ohne eine Gliederung aus. Diese soll den schnellen Einstieg in das Thema und das grundsätzliche Verständnis für die Finanzierung mittelständischer Unternehmen erleichtern.
Für eine solche Gliederung bietet sich die Gliederung der Passivseite der Bilanz an, wie sie in § 266 III HGB vorgesehen ist.
Demnach untergliedern sich die Arten der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand grundsätzlich in
- Eigenfinanzierung,
- Fremdfinanzierung,
- hybride Finanzierungsformen zwischen Eigenkapital und Fremdkapital sowie
- Bilanzexterne Finanzierungen (Off-Balance-Finanzierungen).
Eigenfinanzierung
Wenn man die hohe Cashquote vieler mittelständischer Unternehmen bedenkt, darf man annehmen, dass die Eigenfinanzierung immer noch die mit Abstand wichtigste Art der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand ist.
Eigenfinanzierung bezeichnet alle Finanzierungsmaßnahmen, bei denen dem Unternehmen zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung gestellt wird.
Das gilt natürlich auch für die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand: Wenn eine Finanzierungsmaßnahme dem mittelständischen Unternehmen zusätzliches Eigenkapital zur Verfügung stellt, handelt es sich um eine Eigenfinanzierung.
Die Eigenfinanzierung lässt sich weitergehend in Eigenfinanzierung durch Innenfinanzierung und durch Außenfinanzierung unterscheiden:
…durch Innenfinanzierung als Unternehmensfinanzierung im Mittelstand
Wenn die Eigenfinanzierung aus dem mittelständischen Unternehmen heraus selbst erfolgt, liegt ein Fall der Eigenfinanzierung durch Innenfinanzierung vor. Dies geschieht vorwiegend durch Gewinnthesaurierung und Abschreibungen auf Vermögenswerte. In diesem Fall spricht man auch von „Selbstfinanzierung“.
…durch Außenfinanzierung
als Unternehmensfinanzierung im Mittelstand
Der Gegensatz zur Selbstfinanzierung ist die Beteiligungsfinanzierung, also die Eigenfinanzierung durch Außenfinanzierung. In diesem Fall geschieht die Eigenfinanzierung des mittelständischen Unternehmens durch Finanzierungsquellen, die außerhalb des Unternehmens liegen. In der Regel erfolgt also eine Ausgabe von Gesellschaftsanteilen gegen Einlage neuer oder alter Gesellschafter. Daneben sind aber auch für mittelständische Unternehmen exotischere Varianten wie Wandelanleihen oder Genussscheine möglich.
Fremdfinanzierung
Die Fremdfinanzierung bildet den Gegensatz zur Eigenfinanzierung: Sie bezeichnet Finanzierungsmaßnahmen, bei denen dem Unternehmen zusätzliches Fremdkapital zur Verfügung gestellt wird.
Wenn die betreffende Finanzierungsmaßnahme als dem mittelständischen Unternehmen zusätzliches Fremdkapital zur Verfügung stellt, handelt es sich um eine Fremdfinanzierung.
Die Fremdfinanzierung lässt sich ebenfalls in Fremdfinanzierung durch Innenfinanzierung und durch Außenfinanzierung unterscheiden:
…durch Innenfinanzierung
Wenn die Fremdfinanzierung aus dem mittelständischen Unternehmen heraus selbst erfolgt, liegt ein Fall der Fremdfinanzierung durch Innenfinanzierung vor.
Der einzige Fall in dem eine Fremdfinanzierung durch Innenfinanzierung erfolgt, ist die Bildung von Rückstellungen. Denn da Rückstellungen aus den Gewinnen gebildet werden, ist diese Form der Finanzierung der Innenfinanzierung zuzurechnen. Und da Rückstellung dem Fremdkapital zugeordnet werden, ist diese Form der Finanzierung der Fremdfinanzierung zuzurechnen.
…durch Außenfinanzierung
Der weit überwiegende Teil der Fremdfinanzierung erfolgt aber natürlich durch Außenfinanzierung.
Fremdfinanzierung durch Außenfinanzierung liegt vor, wenn die Fremdfinanzierung des mittelständischen Unternehmens durch Finanzierungsquellen erfolgt, die außerhalb des Unternehmens liegen.
Die Finanzierungsinstrumente der Fremdfinanzierung durch Außenfinanzierung umfassen daher alle von Gläubigern stammende Mittel. Also insbesondere Lieferantenkredite, Kundenkredite, Bankkredite und öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten.
Die Klassiker: Betriebsmittel- und Investitionskredite
Bei der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand sieht man daher in der Praxis klassischerweise vorwiegend kurzfristige und mittel- bis langfristige Bankverbindlichkeiten. Die kurzfristigen Bankverbindlichkeiten finden sich in der Bilanz des mittelständischen Unternehmens vor allem in Form von Betriebsmittellinien. Langfristige Investitionsvorhaben werden in der Regel fristenkongruent durch Investitionsdarlehen finanziert.
seit 2000: Corporate Finance für den Mittelstand
Spätestens seit dem Jahrtausendwechsel lässt sich aber auch in der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand zunehmend das Aufkommen weiterer Finanzierungsinstrumente beobachten. Solcher Finanzierungsinstrumente, die aus dem Corporate Finance der Investmentbanken stammen und bis dahin nur internationalen Großkunden vorbehalten waren.
Hier ist insbesondere der mittelständische Konsortialkredit (bzw. syndizierter Kredit) zu nennen, der in seiner mittelständischen Ausprägung oftmals auch auf den Namen Club Deal hörte.
Circa zehn Jahre später, also so um das Jahr 2010 herum, trat dann auch die sogenannte Mittelstandsanleihe auf den Plan. Auch diese bot den mittelständischen Unternehmen Rahmenbedingungen einer Finanzierung, die sonst vorwiegend größeren Unternehmen vorbehalten war. Aus der Retrospektive heraus muss man allerdings wohl sagen, dass die Mittelstandsanleihe nicht das erfolgreichste Finanzierungsinstrument der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand geworden ist. Zahlreiche Ausfälle ließen die Mittelstandsanleihe für Anleger zum Schreckgespenst werden. Und der stets stark auf seinen guten Ruf bedachte deutsche Mittelstand begann die Mittelstandsanleihe ebenso zu meiden.
Den freigewordenen Platz scheint nun zunehmend das Schuldscheindarlehen einzunehmen. Da dieses vorwiegend Unternehmen mit besonders guter Bonität zur Verfügung steht, ist es zu einem echten Qualitätssiegel geworden. Das schränkt zwar den Kreis potenzieller Kreditnehmer ein, schafft aber auch eine deutliche Abgrenzung zur ungeliebten Mittelstandsanleihe.
hybride Finanzierungsformen als Unternehmensfinanzierung im Mittelstand
Finanzierungsformen, die weder eindeutig der Eigenfinanzierung noch der Fremdfinanzierung zugeordnet werden können, sind hybride Finanzierungsformen. Also Finanzierungsmaßnahmen, die irgendwo zwischen Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung zu verorten sind.
Dementsprechend werden diese Finanzierungen auch als Hybridkapital oder Mezzanine-Kapital bezeichnet.
Von der klassischen Fremdfinanzierung lassen sie sich in der Regel durch die langfristige Überlassung und die Nachrangigkeit abgrenzen.
Von der klassischen Eigenfinanzierung hingegen durch eine Verzinsung und teilweise oder bedingte Gewinnbeteiligung.
Bilanzexterne Finanzierungen (Off-Balance-Finanzierungen)
Bilanzexterne Finanzierungen sind Finanzierungsmaßnahmen, die bilanzneutral sind. Sie finden also nicht in der Bilanz des zu finanzierenden Mittelständlers sondern eben „off balance“ oder „unter dem Bilanzstrich“ statt. Sowohl das zu finanzierende Gut als auch die Finanzierung selbst finden sich nicht in der Bilanz des finanzierenden Unternehmens wieder.
Bekannteste Beispiele für bilanzneutrale Finanzierungen sind das Leasing und das Sale-Lease-Back.
Sonderform Forderungsverkauf als Form der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand
Eine weitere Finanzierungsquelle insbesondere für mittelständische Firmen ist der Forderungsverkauf. Also insbesondere das Factoring, aber auch die Forfaitierung. Bei diesen handelt es sich allerdings nicht um Finanzierungsinstrumente im engeren Sinne sondern um externe Finanzdienstleistungen, die eine Finanzierungsquelle darstellen können.
Fazit zur Unternehmensfinanzierung im Mittelstand
Zwar zeigt sich die klassische Gliederung der Finanzierungsarten auch bei der Unternehmensfinanzierung im Mittelstand. Aber im Detail sind dann doch deutliche Unterschiede zur Finanzierung der anderen Unternehmensgrößen zu beobachten.
Gerade Finanzierungsinstrumente wie der Club Deal, das Schuldscheindarlehen oder auch die früher beliebte Mittelstandsanleihe (aktueller Artikel aus 2019 hierzu) zeigen die individuellen Ansprüche der mittelständischen Unternehmen hinsichtlich einer adäquaten Finanzierung.
Aber natürlich spielen auch Sonderformen wie das Factoring oder das Leasing eine enorme Rolle. Gerade für Unternehmen, die noch jung am Markt sind und über keine Bonitätshistorie verfügen, können diese Instrumente einen wichtigen Beitrag zur Unternehmensfinanzierung im frühen Stadium bieten.
Im Ergebnis ist aber festzuhalten, dass es natürlich für kein Unternehmen die eine richtige Finanzierungsvariante gibt. Vielmehr muss auch hier klar gesagt werden: Die Mischung macht’s! Ein ausgewogener und an die Situation angepasster Finanzierungsmix ist immer noch die beste Wahl.
Hi, ich bin Oliver, der Gründer von Jodano - Wissen & Meinung zu Finanzen. Bevor ich mich als Blogger selbstständig gemacht habe, habe ich fast 20 Jahre in der Bankenbranche mein Unwesen getrieben. Die Erfahrungen, die ich dort in Anlageberatung, Private Banking und Corporate Finance gesammelt habe, lasse ich heute in meinen Blog einfließen.
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