Das Dispodrama

 

Im gestrigen  Online-Artikel der FAZ wurde  sich mit den neuen Ergebnissen der regelmäßigen Studie der Stiftung Warentest zu den Dispozinsen der Banken auseinander gesetzt.

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Im Folgenden möchte ich diese Ergebnisse mal etwas genauer beleuchten.

Die Ergebnisse der Studie

Die Ergebnisse lassen sich in etwa wie folgt zusammenfassen:

  1. Die durchschnittliche Verzinsung der Dispositionskredite ist zwar gesunken, liegt aber immer noch bei fast 10% p.a.
  2. Teilweise gesunkene Dispozinsen werden über höhere Gebühren neuerer Kontomodelle (hier sog. „Premium-Konten“) wieder hereingeholt.
  3. Die Großbanken landen im Vergleich im Mittelfeld, die Regionalbanken sind im Vergleich entweder besonders teuer oder besonders günstig.
  4. Die Zinsen für die sog. „Geduldete Überziehungen“ fallen noch einmal höher aus.
  5. Die seit 21. März 2016 bestehende Pflicht, die Dispozinssätze im Internet zu veröffentlichen, wurde (teils erst nach Erinnerung) mittlerweile weitgehend umgesetzt.
  6. Bei einzelnen Banken wird dem Kunden nicht transparent gemacht, wie sich der Dispozins zusammensetzt.
  7. Negativzinsen werden von einzelnen Banken nicht an den Kunden weitergegeben, weshalb die Bank an diesen „doppelt“ verdient.

Unterschiedliche Banken, unterschiedliche Angebote

Um ganz offen zu Ihnen, lieber Leser, zu sein: Mich nervt diese Debatte und öffentliche Darstellung (nicht nur langsam aber sicher) ein bisschen. Zwar sind im Durchschnitt knapp 10% jährliche Verzinsung nicht wenig, aber auf der anderen Seite unter 5% bei einzelnen Banken doch wiederum ein positives Zeichen für einen gesunden Markt. Und solange es solche Angebote noch gibt und die Anbieter (Banken) sich nicht absprechen und nur noch Zinssätze jenseits der 10% anbieten, ist doch eigentlich alles in Butter.

Ich meine, dass diese Debatten zu Gunsten des Verbrauchers in Wirklichkeit an diesem vorbei geführt werden. Jeder Mensch kann doch selbständig denken und sich für ein Angebot entscheiden. Wenn er sich also bewusst gegen die günstigen Anbieter von 5% Zinsen p.a. auf den Dispositionskredit entscheidet, wird er schon seinen Grund haben.

Man darf nicht vergessen, dass unterschiedliche Banken auch unterschiedliche Geschäftsmodelle und Leistungsangebote haben. Und wenn ich den Luxus einer überregionalen Bank mit zahlreichen Filialen und regionalen Serviceangeboten genießen möchte, sollte ich mich als Kunde auch damit abfinden, hierfür eine höhere Marge auf das serviceintensive Zahlungsverkehrsgeschäft zahlen zu müssen. Wenn ich diesen Luxus nicht brauche, kann ich mir ja eine günstigere Bank suchen. Danke Internet und Vergleichsportalen ist das in der heutigen Zeit wohl einfacher möglich denn je.

Premium-Konten als Angebot

Ähnlich verhält es sich doch mit dem Vorwurf der sogenannten „Premium-Konten“. Auch hier schwingt im Unterton mit, dass diese Kontomodelle ja eigentlich nur dem Hereinholen entgangener Zinsen durch höhere Gebühren dienen würden.

Unterschlagen wird dabei in der Breite, dass diese Modelle dann oftmals Premium-Kreditkarten und verbesserten Service beinhalten.

Also auch hier gilt: Wenn ich das nicht brauche und es mir nichts nützt, muss ich es doch auch nicht abschließen und nicht bezahlen. Die Studie erweckt ja den Eindruck, dass Kunden gezwungen wurden, Premium-Konten abzuschließen.

Sorry, aber genau diese eigenartigen Schlussfolgerungen und Implikationen machen die Studie unglaubwürdig.

Kein Kaufmann verrät die Zusammensetzung seiner Preise

Und natürlich wird dem Kunden auch nicht transparent gemacht werden, wie sich der Zinssatz genau zusammensetzt. Sind Sie schon mal in einen Lebensmittelladen gegangen und haben sich vom dort angestellten Verkäufer verraten lassen, wie sich der Preis der gerade gekauften Salatgurke nun eigentlich genau zusammensetzt?

Mal abgesehen von dem unangenehmen Spott, der Ihnen wahrscheinlich entgegenschlagen würde, wird Ihnen darauf kein normaler Kaufmann antworten (können). Wer sich ein bisschen betriebswirtschaftlich auskennt, weiß, dass Kaufleute schon allein ein sehr großes Geheimnis aus ihren Lieferanten und Einkaufspreisen machen. Kein Kaufmann mit gesundem Menschenverstand würde Ihnen eine Auskunft über seine Einkaufspreise oder gar die Zusammensetzung der Marge geben. In einer wettbewerbsintensiven Branche wie dem Einzelhandel wäre derartige Transparenz ökonomischer Selbstmord, weil die Konkurrenz sofort geschäftsschädigendes Wissen erlangen könnte.

Und jetzt versuchen Sie diesen Ansatz mal auf die genauso wettbewerbsintensive Bankenbranche zu übertragen! Schon sehen Sie, dass ein solches Transparenzverlangen absurd und geschäftsschädigend ist.

Zinssätze sind keine Gemüsepreise

Und wo wir schon beim Thema Marge und Transparenz sind: Bei den Untersuchungen und Stellungnahmen der Stiftung Warentest bleibt immer der fade Beigeschmack hängen, dass die Kreditmargen der Banken mit Margen in Industrie und Handel gleichgesetzt werden. In etwa so: Die Bank zahlt einen Einkaufspreis, da wird ein bisschen Marge zur Deckung der Gemeinkosten und für einen satten Gewinn aufgeschlagen und schon haben wir den Kundenzinssatz. Aber so einfach ist es eben nicht. Wie ich in einem früheren Artikel schon einmal dargestellt habe, berechnet sich der Zinssatz etwas komplizierter. Da kommen Komponenten für das Risiko mit der Marge zusammen. Und schon ist die Bandbreite etwas größer als bei Preisen im Handel.

Wenn wir jetzt noch bedenken, dass unterschiedliche Banken unterschiedliche Servicelevel bieten, die mit unterschiedlichen Unterhaltskosten einhergehen und an den Kunden weitergegeben werden müssen, weitet sich das Spektrum möglicher Preis- bzw. Zinskonstellationen noch einmal deutlich.

Und schon weiß jeder Kunde doch auch, welchen Einfluss er auf „seinen Dispozinssatz“ hat:

  1. Sein Anspruch an Service und Angebot wirkt mittelbar auf seinen Zinssatz und
  2. seine Bonität und sein Kontoverhalten wirken unmittelbar auf den Zinssatz.

Das sind also schon zwei bedeutende Stellschrauben, die den individuellen Zinssatz jedes Kunden im Dispokredit beeinflussen und von jedem Kunden bedacht werden können.

Den Vorwurf, dass die Banken die Negativzinsen nicht an die Endkunden weitergeben, finde ich schon fast skandalös: Immerhin geben die meisten Banken die Negativzinsen auf dem Tagesgeld ja auch nicht an ihre Kunden weiter.

Wer den Dispo auslastet, ist selbst Schuld

Davon abgesehen sollte jedem Kunden klar sein, dass das Angebot eines Dispositionskredites (neben den grundsätzlichen Servicekosten für Konten und Zahlungsverkehr) der Bank enorme Kosten bereitet. Ich habe einmal den Vergleich gehört, dass man den Dispositionskredit als ein wartendes Taxi mit laufendem Motor betrachten solle. Allein durch die Bereitstellung entstehen schon hohe Kosten, die vom Abnehmer bezahlt werden müssen.

Und auch hier gilt: Der Kunde verfügt doch über einen gesunden Menschenverstand und kann jederzeit in einen günstigeren Ratenkredit wechseln. Davon hat nicht nur er etwas, sondern auch die Bank, da diese nun besser planen kann. Diesen Vorteil gibt die Bank in Form eines besseren Zinssatzes auch an den Kunden weiter.

Und wiederum dank der vielen Vergleichsportale kann der Kunde sich online sogar das beste Angebot für einen Ratenkredit aussuchen.

Fazit

Sie sehen also an diesem Beispiel mal wieder, dass man der öffentlichen Meinung nicht immer anstandslos vertrauen darf. Ich habe es ja in anderen Artikeln schon des Öfteren dargestellt:

Banken haben in der Vergangenheit viel zu ihrem schlechten Ruf beigetragen und die zusätzlichen Probleme der gesamten Branche waren schon vor 20 Jahren absehbar gewesen. Aber dennoch sollte man die aktuellen Bewertungen in den öffentlichen Darstellungen etwas distanzierter und differenzierter betrachten:

Lieber Leser, da Sie diesen Blog lesen, gehe ich davon aus, dass Sie Ihr Glück in die eigenen Hände genommen haben und sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie dieses gefunden werden muss.

Und am beschrieben Beispiel können Sie ersehen, dass ein selbständig denkender Mensch im Verdrängungswettbewerb der Bankenbranche im Moment einige sehr gute Geschäfte machen kann. Die Zinsen für Ratenkredite sind bei allen Banken historisch günstig, ebenso die Zinsen für Baufinanzierungen. Und dank unzähliger Möglichkeiten im Internet können Sie diese in kürzester Zeit finden und miteinander vergleichen. Welcher Mensch mit gesundem Menschenverstand nutzt da bitte noch dauerhaft den Dispositionskredit?

Hi, ich bin Oliver, der Gründer von Jodano - Wissen & Meinung zu Finanzen. Bevor ich mich als Blogger selbstständig gemacht habe, habe ich fast 20 Jahre in der Bankenbranche mein Unwesen getrieben. Die Erfahrungen, die ich dort in Anlageberatung, Private Banking und Corporate Finance gesammelt habe, lasse ich heute in meinen Blog einfließen.