Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital – ist das überhaupt möglich? Wie wir in unserem vorigen Artikel bereits dargestellt haben, basiert eine ideale Unternehmensfinanzierung auf einem ausgewogenen Finanzierungsmix. Dieser beinhaltet neben dem Fremdkapital natürlich auch Eigenkapital und gegebenenfalls bilanzexterne Finanzierungen. Was aber, wenn kein Eigenkapital zur Verfügung steht, das Unternehmen aber dennoch finanziert werden soll. In diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über die grundsätzlichen Probleme und Möglichkeiten einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital.
Inhaltsverzeichnis
Die Herausforderungen einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital
In einem ersten Schritt wollen wir uns erst einmal anschauen, warum eine Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital überhaupt eine Herausforderung darstellt.
Hierzu müssen wir uns in die Bank als möglicher Kreditgeber hineinversetzen. Eine Bank stellt in ihrer Kreditentscheidung grundsätzlich auf zwei Dinge ab.
- zukünftige Einnahmen (genauer: „Cash-Flows“) und
- Beleihungswert der Sicherheiten
Wenn Sie also an eine Bank mit dem Wunsch nach einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital herantreten. Welche Aussagen treffen Sie damit direkt oder indirekt hinsichtlich der oben genannten Ziele der Bank?
zukünftige Einnahmen bzw. Cash-Flows
Die Bank wird eine selbständige Einschätzung der zukünftig aus Ihrem Unternehmen zu erwartenden Cash-Flows vornehmen. Hierzu benötigt die Bank von Ihnen belastbares Zahlenmaterial, also Jahresabschlüsse der Vergangenheit. Wenn diese Jahresabschlüsse gute Ergebnisse der Vergangenheit zeigen würden, wäre Eigenkapital vorhanden. Dann hätten Sie also niemals nach einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital gefragt.
Da Sie aber genau das getan haben, treffen Sie damit zumindest indirekt eine oder sogar zwei Aussagen:
- Die Ergebnisse Ihres Unternehmens in der Vergangenheit sind nicht gut.
- Oder wahrscheinlicher: Sie verfügen (noch) über keine Jahresabschlüsse der Vergangenheit (z.B. weil sie in Existenzgründung sind).
Unserer Erfahrung nach ist insbesondere der zweite Fall relevant. Sie befinden sich in einer Gründungsphase und verfügen noch über kein belastbares Zahlenmaterial. Die Einschätzung zukünftiger Cash-Flows könnte demnach nur auf Sie, Ihre Idee und einen Business Plan abgestellt werden.
Beleihungswert der Sicherheiten
Hinsichtlich des Beleihungswerts der Sicherheiten sieht eine Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital auf den ersten Blick schon besser aus.
Immerhin werden Sie als Unternehmer für die erhaltene Finanzierung oftmals Vermögenswerte anschaffen, die der Bank ja als Sicherheit für den Kredit dienen können.
Aber leider ist auch das in der Praxis nicht so einfach. Zum ersten wiegen heutzutage bei der Finanzierungsentscheidung von Banken Cash-Flows prinzipiell schwerer als Sicherheiten. Wenn die Einnahmen nicht passen, kann allein auf Sicherheiten in der Regel kein Kredit abgestellt werden.
Zweitens ist der Beleihungswert (also der Wert der Sicherheiten aus Sicht der Bank) generell niedriger als der Verkehrswert. Selbst eine privat genutzte Wohnimmobilie erreicht aus Sicht der Bank einen Beleihungswert von maximal 80% des Verkehrswertes oder Kaufpreises. Bei Vermögenswerten von Unternehmen sinken diese Beleihungswerte noch einmal beträchtlich und erreichen bei Vorräten beispielsweise regelmäßig nicht mehr als 30% des Wertes in der Bilanz.
weitergehende Signalwirkung
Aber auch über Geschäftszahlen und Beleihungswerte hinaus, entfaltet der Wunsch nach einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital eine gewisse Signalwirkung gegenüber (potenziellen) Bankpartnern.
fehlende Risikoreduktion
Grundsätzlich ist Eigenkapital des Kreditnehmers aus Sicht einer Bank immer risikoreduzierend. Wenn der Kunde hingegen von vornherein den Wunsch vorträgt, das Unternehmen ohne Eigenkapital zu finanzieren, fehlt diese Risikominderung des Eigenkapitals. Das Geschäft ist der Bank insgesamt riskanter.
kein Commitment des Unternehmers
Eigenkapital des Unternehmers wird seitens der Banken allerdings auch als Commitment verstanden. Denn indem der Gründer oder Inhaber des Unternehmens selbst mit seinem Eigenkapital ins Risiko geht, signalisiert er, dass er wirklich von seiner Geschäftsidee überzeugt ist. Eine gewünschte Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital signalisiert hingegen das genaue Gegenteil. Der Unternehmer signalisiert, dass er die Bank das gesamte Finanzierungsrisiko übernehmen lassen möchte.
Banken scheiden meistens aus
Zusammengenommen besteht die große Herausforderung einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital demnach im Fehlen von Cash-Flows, Beleihungswerten und einer entsprechenden Signalwirkung seitens des Unternehmers.
Im Ergebnis scheiden Banken auf den ersten Blick für eine Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital demnach aus. Es sei denn, der Unternehmer verfügt über ein Privatvermögen in entsprechender Höhe. Dann kann er weitere Sicherheiten aus seinem Privatvermögen oder eine Bürgschaft stellen. Aber
Alternative Möglichkeiten zur Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital
Wenn also Banken als Finanzierer zuerst einmal ausscheiden, stellt sich die Frage nach alternativen Möglichkeiten der Finanzierung ohne Eigenkapital. Aber wer, der über Vermögenswerte in relevanter Höhe verfügt, benötigt überhaupt einen Kredit zur Finanzierung seines Unternehmens???
Bootstrapping
Unter diesen Alternativen ist zuerst einmal das sogenannte Bootstrapping zu nennen. Der Begriff Bootstrapping kommt natürlich aus dem Englischen und heißt übersetzt „Stiefelriemen“. Er beschreibt eine Finanzierungsart, bei der junge Unternehmen vollständig auf externe Finanzierung verzichten. Diese Unternehmen finanzieren sich also vollständig und ausschließlich aus dem selbst erzielten Cash-Flow. Diese Finanzierungsmethode verlangt ein hohes Maß an Organisation und Disziplin. Und Zeit – denn für schnelles Wachstum fehlen in der Regel die Mittel.
Vom eigentlichen Bootstrapping kann man natürlich erst dann sprechen, wenn überhaupt einmal Cash-Flows fließen. Daher wird auch beim Bootstrapping ein externes Startkapital benötigt, das der Gründer entweder selbst in sein StartUp einbringt oder sich von Freunden und Familie leihen muss.
Investoren
Eine weitere Möglichkeit der Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital ist der Rückgriff auf Investoren. Hier bieten sich je nach Kapitalbedarf und Lebensphase des Unternehmens unterschiedliche Optionen. Business Angels beispielsweise leisten klassischerweise mit eher kleineren Beträgen (bis 250.000 Euro) in sehr frühen Phasen eine Art Anschubfinanzierung. Demgegenüber ist Risikokapital (Private Equity oder Venture Capital) in allen Lebensphasen des Unternehmens vertreten und üblicherweise deutlich umfangreicher – in der Regel erst ab EUR 1 Mio. Gründerfonds und Crowdinvesting nehmen hierbei Sonderrollen ein.
Die Vorteile solcher Investoren liegen – neben dem gewünschten Mehr an Kapital – auch im Zugewinn an Know-How. Die Investoren kennen sich häufig in der Branche des Unternehmens sehr gut aus und verfügen oftmals über ein ausgeprägtes Netzwerk.
Öffentliche Fördermittel
Vielleicht die populärste Möglichkeit einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital ist die Finanzierung über öffentliche Fördermittel. So gibt es in Deutschland und Europa über 2.000 öffentliche Förderprogramme von Bund, Ländern, Gemeinden und nicht zuletzt der Europäischen Union. Ebenso zahlreiche Förderinstitute ergänzen die ausgeprägte Förderlandschaft in Deutschland.
Die öffentlichen Förderprogramme unterstützen bei Existenzgründung und Unternehmensfinanzierung in Form von Eigenkapital, Fremdkapital, Zuschüssen und Bürgschaften.
Zuschüssen sind insbesondere für viele Gründer interessant, weil sie nicht zurückgezahlt werden müssen.
Bürgschaften im Rahmen von öffentlichen Förderprogrammen wiederum ersetzen oftmals die banküblichen Sicherheiten, sodass eine Kreditvergabe der Hausbank auf einmal möglich wird. Die oben bereits abgeschriebene Hausbank kann auf diesem Wege somit wieder in den Fokus rücken.
Aber auch sonst ist die Hausbank im Rahmen von öffentlichen Förderprogrammen unverzichtbar. Zum einen können Kredite und Bürgschaften aus öffentlichen Förderprogrammen nie vom Förderinstitut direkt, sondern nur indirekt über die Hausbank ausgereicht werden. Zum anderen benötigt das Unternehmen natürlich auch ein Kontokorrentkonto. Am ende führt also doch wiederum kein Weg an der Bank vorbei – auch bei der Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital.
Fazit
Beim Wunsch einer Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital ist die Hausbank auf den ersten Blick nicht die beste Adresse. Stattdessen treten Optionen wie Bootstrapping und Investoren erst einmal auf die Agenda. Wenn es aber um öffentliche Förderprogramme, des Deutschen liebste Unternehmensfinanzierung ohne Eigenkapital, geht, wird die Hausbank aber doch wieder unverzichtbar.
Hi, ich bin Oliver, der Gründer von Jodano - Wissen & Meinung zu Finanzen. Bevor ich mich als Blogger selbstständig gemacht habe, habe ich fast 20 Jahre in der Bankenbranche mein Unwesen getrieben. Die Erfahrungen, die ich dort in Anlageberatung, Private Banking und Corporate Finance gesammelt habe, lasse ich heute in meinen Blog einfließen.